Montag, 9. Mai 2011

Die Kunststoffhypothese

Ich wache auf, was ist passiert? Wieso tragen die Wände keine Bilder und wer sind diese ganzen Gesichter?
EA-Nummer neunundsechzig und fünf mal die Zwei!
Und ich dachte ich hätte Tränen in den Augen, wegen der revolutionären Energie, die die Menge durchzog wie ein Roter Faden. Und der Mann in schwarz schwenkte eine Freiheitsfahne auf dem Dach. Der Mann in dunkelblau schwenkte nur seinen Stock. Verdammt, was war denn mit MARX?! Mags gar nicht wahrhaben, TROTZ KIeferbruch ab zu McD und noch ein Happy-MIELKE bestellt, weil ich mich nicht vor den Konsequenzen schäuble... äh... scheue.
EA-Nummer neundundsechzig und  fünf mal die Zwei!
Und Künstler sind frei,
im finsteren Wald
riecht es nach dünstendem Fleisch.
"Du suchst wohl einen Ersteklassekieferorthopäden, dir ist der Ernst der Lage wohl nicht bewusst?!"
Das Mädchen mit der lila Sonnenbrille und der schwarzen Kapuze sagt, sie sei schon das elfte Jahr dabei und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Ich kenne weder ihren Namen, noch die Farbe ihrer Augen.
Es riecht nach Megaphonen, die Reflektoren auf ihren Schutzwesten schreien mich an, ihre Trompeten spucken Feuer und ich bin der Dirigent. Im Siebenachteltakt pulsiert die Menge schreiend, geifernd, eisern - Ich halte sie, wie Poseidon seinen Dreizack, triumphierend über ihre Dummheit, verspotte ich ihre mikrigen Ideale.
EA-Nummer neunundsechzig und fünf mal die Zwei - Hätte ich mir das gemerkt, dann hätte ich vielleicht gar in Freiheit über sie gespottet.
Jetzt muss ich meine Hände durch die Gitter strecken - Ich habe Besuch.

Mittwoch, 20. April 2011

Andromedarnebel

Wirf eine Münze, lass sie entscheiden
Wenn alles Glück ist
Der richtige Platz, der richtige Zeitpunkt
Andere müssen arbeiten - ich muss jemand sein, den ich nicht kenne

Gefesselt an die Umstände
Mit der Umständlichkeit verheiratet
Ständig unzuständig, unterstell ich unterschwellig

Und die Frau auf der anderen Seite des Schalters
Fragt mich, ob ich es nicht kleiner habe
Unüberwindbar wie dicker Asphalt meine Nickelknappheit
Abgeschliffen.. Ach nee! Abgeschwiffen!

Wie immer unterwegs im Andromedarnebel
Alles aufsaugen - wie ein Dromedar leben!

Die Wüste ist nicht halb so undankbar wie das Meer
Die Tetrapaks stehen immer noch
Atlantis ist untergegangen
Gar kein leichtes Unterfangen zu sagen:

Stets zu Diensten!

Montag, 10. Januar 2011

Regionalbahnkontrolleurumgehungsstrategie

-Was machst du denn da?

Ich schreibe.

-Ach, was schreibst du denn so?

Gedichte, Gedanken, Geschwafel – ein mehr oder weniger lyrisches Geplänkel, manchmal auch chaotisches Gedränge von Wörtern, Phrasen, Reimen.
Ich bin aber mehr so der klassische Typ, weißt du?! Rainer Maria Rilke und Theodor Storm gegen Charlotte Roche und Benjamin von Stuckrad-Barre.

-Und was ist mit Goethe?

Der war ein Streber! Ich mag's eher realistischer, verstehst du?!

Es ist der 1.Oktober und die Menschen fahren, gehen oder humpeln über den Augustusplatz. Von meiner Bank aus kann ich die Wahrzeichen der Stadt sehen – das neue Gewandhaus, erbaut nach einem skandinavischen Architekten im sozialistischen Stil, die Oper erbaut nach einem preußischen Architekten im preußischen Stil und hinter mir das neue Paulineum, von irgendwem erbaut – ganz ohne Stil. Das muss der vielgepriesene Goldene Oktober sein, von dem ich sonst immer nur flüchtig gehört hatte.

„Jaja nun ist der Sommer vorbei.“ - räuspern, stöhnen, leiden.
„Na ja, ist wohl so.“ husten, seufzen, schweigen.

Und eigentlich müsste ich an dieser Stelle ganz im Stile von Thomas Mann beschreiben, wer sich da unterhält, mit allen möglichen Metaphern, die die Falten und die langweiligen Klamotten von Menschen beschreiben, die solche Gespräche führen. Stattdessen wage ich mich an eine extrem präzise, aber immer genau zutreffende statistische Verallgemeinerung:

98% der Menschen in dieser Stadt führen regelmäßig solche Gespräche, sind angepasst und verbittert, 1% sind Anarchisten und der Rest sind zwar irregeführte, aber dafür höchstmotivierte Erstsemesterstudenten.
Ich liebe lange Wörter, ich bilde sie manchmal nur, um mir vorzustellen, wie sie geschrieben aussehen: Ganztagskindergarten, Rumpelkammereingangstür, Teppichreinigerfabrikationsfachangestellter. Dabei frage ich mich dann immer, wo und wann Platz für diese Wörter ist – ich kann ja schlecht in einem Gespräch, das mich langweilt, anfangen total unangebracht lange und nicht in den Kontext passende Wörter dazwischenzuhauen.

Wir stellen uns einmal vor:

Hey was, machst du denn hier?

-Das ist eine Mensa, Rolltreppenaufstiegsblech, ich esse hier!

Oh... OK und warst du beim Seminar?

-Nein ich war nicht beim Koranübersetzungsfehleranalyseseminar!

Es ging doch aber um das Verlagswesen im 18. Jahrhundert?!

-Regionalbahnkontrolleurumgehungsstrategie noch ein mal! Lass mich in Ruhe!

Ist ja gut, bin schon Weg – Vogel!

Problem gelöst – langweiliger Gesprächspartner abgeschüttelt, Mission accomplished!
In Wirklichkeit, würde ich mich so etwas aber niemals trauen.

Freitag, 26. November 2010

FolterPolka

Bevor ich gehe, muss ich noch ein Wort zeugen und ein Buch pflanzen
Meine Meinung einbetonieren und Hula-Hoop tanzen
Eure Meinungshalbwertszeit unterschreitet knapp die Verschlusszeit
Eines Kameraobjektives – doch jetzt ist Schluss-Zeit
Muss denn alles voll Verdruss sein?
Die Prokreation ist einmalig pro Kreation
Die Wiederholung ist der Strick am kulturellen Galgen
Eure Beiträge sind kulturelle Algen
Einfach strukturiert und flächendeckend
Wer schreit in der Masse am lautesten, dass sie einzig ist?
Wer spricht dem Winter ab, dass er eisig ist?

Wir folgen der Logik des Urknalls
Etwas entsteht aus nichts – doch nur die Form ist fassbar
Der Inhalt nicht

Also tragt sie hinaus die Gewänder des Lichts
masselose Teilchen blenden die eigentliche Sicht
Und wir schreiben   und wir schreien     und wir leiden   für das Ich
Und wir kreiden      und wir kreischen   und verbleien    unsere Pflicht
Und wir schneiden   und wir schneiden  und wir schneiden
uns ins eigene Fleisch.

Donnerstag, 11. November 2010

Cafe †ogo.

Wir löschen die Zeit aus
Mit Wachs auf dem Fahrschein
Und alles andere ist schuld
und jeder andere eine Last

Es sind immer die selben Phrasen
Und du sprichst die Ausreden nicht mal mehr ganz aus,
Weil du weißt,
Dass es kaum noch Sinn hat

Ich schmeiß mit Fragezeichen nach dir!

Es kann dich nicht bewegen den wahren Grund erfahren zu wollen
Stattdessen Drogen und fettiges Essen
und sinnentleerte Leidenschaften

Alles verpackt in feistem Lachen,
in Kaffeesatz und Starbucksbechern

Du machst keine halben,

Du machst gar keine Sachen.

Freitag, 17. September 2010

Intraviolett

Das Heute ist mein größter Feind, lass sie doch alle carpe diem schreien. 
Meinetwegen sollen sie es sich unter die Haut brennen. 
Das neongrüne Rauschen zerstört die Vergangenheit und das Morgen ist nur das Trauern danach. 
Der Nacken tut weh, wenn man ihn mit jedem Schritt bewegt... 
Der Puls vergeht, wenn man jedes Herz mit Schrift belegt.

Wenn die Hüllen zerfallen , wie die Hüllen zerfallen, sind Wir wer wir sind,
weil wir sind wer Wir sind.

Und es lohnt nicht zu fragen warum und wofür, darum kann und darf es nicht gehen.
Die Fehleinschätzung, das Scheitern – wir gehen – ohne Grund in den Grund.
Doch du bleibst stehen und ich bewundere dich dafür.
Verlassen der Raum, halb geöffnet die Tür – Der Ausweg, die Zuflucht bis der Atem gefriert.

Wenn die Hüllen zerfallen, wie die Hüllen zerfallen, sind Wir was wir nicht wollen,
wir sind was Wir nicht wollen

Wir legen unsere Träume in die Brutmaschine,
unter infrarotem Licht musst du nichts wahren, nicht leiden. Nur noch fassen und schweigen
Nur noch fassen und schweigen
Nur noch fassen und schweigen

bis die Gefühle wegbleiben.

Wenn die Hüllen zerfallen wie die Hüllen zerfallen,
bin ich wer du bist, weil du bist wer ich bin.  

Sonntag, 12. September 2010

40 Meter über NN

Ich fahre mit dem Zug übers flache Land 
Diese Gegend ist mir so furchtbar bekannt 
Manchmal hebe ich den Blick und sehe Fabriken 
In denen die Menschen von hier schon lang nicht mehr ihr Geld verdienen 
An den Autos wehen wieder mal die Deutschlandfahnen 
Der Flieder weht im Wind und ist viel bunter als die Häuserfarben 
Wir nehmen Abkürzungen auf grasbegrünten Bahnschienen 
Windräder zeichnen die Landschaft - stille Stahlriesen 
Kirchturmspitzen blinzeln über graue Baumkronen 
Dein Bruder hat gesagt, er will nicht mehr in diesem Haus wohnen 
Jetzt sitzt er einsam und verloren im Regionalexpress
In seinem Kopf setzt sich diese eine Frage fest 
Alles was für uns einmal so bedeutend war 
Warum ist von alledem nur nichts mehr heute da? 
Nur weil man von deinem Dach in die Ewigkeit blickt
Heißt das nicht, dass es für uns sowas wie Ewigkeit gibt

Schilder bezeichnen Straßen, die niemand befährt
Die Gewichte an deinen Knöcheln sind siebenfach beschwert
Der aufziehende Regen zerreißt deinen Traum vor dem Stromkastenhaus
Die große Pause ist vorbei, die Noten sind raus